Privat lässt es Ronnie Ehrlich gern ruhig angehen. Beruflich ist der zweifache Familienvater oft wagemutig, aber nie waghalsig. Der gelernte Fernmeldeanlagenelektroniker arbeitet seit 2017 als „Servicetechniker Kommunikationsnetze“ im Außendienst bei telent. Die telent GmbH ist ein Anbieter von Netzwerklösungen und -services mit besonderem Fokus auf Kritische Infrastrukturen, Digitalisierung, Automatisierung und Cybersecurity.
Heute führt der 41-Jährige hauptsächlich Techniker-Aufträge für einen großen Übertragungsnetzbetreiber aus. Dieser verantwortet die Infrastruktur überregionaler Stromnetze und sichert die Stromversorgung von mehr als 18 Millionen Menschen im Norden und Osten Deutschlands. Außerdem betreibt der Netz-Dienstleister eigene Offshore-Windparks. Als telent 2019 nach Servicetechnikern für Einsätze auf eben diesen Offshore-Plattformen suchte, zögerte Ehrlich nicht lange und kam so zur Abteilung FO33. Die FO33 ist eine Spezial-Einheit der telent, die besonders knifflige Aufträge ausführt. „Die FO33, das sind die Jungs, die wirklich überall hingehen, ob auf Richtfunkmasten oder in die Offshore-Einsätze,“ erklärt Ehrlich. „Die sind überall in Deutschland oder auch im Ausland unterwegs. Und da war ich einfach neugierig und wollte das auch mal ausprobieren.“
Erst die Pflicht, dann die Kür
Ganz so einfach war es allerdings nicht. Offshore-Techniker müssen eine intensive Ausbildung absolvieren. Neben der körperlichen Eignung, wie der Höhentauglichkeit, zählt das Wissen um die Arbeitsschutzbestimmungen des Plattformbetreibers und des jeweiligen Ziellandes. Es folgen praktische Module, um jeden erdenklichen Ernstfall zu proben. Wie führe ich eine Wasserrettung durch? Wie evakuiere ich Verletzte? Und was, wenn ich selbst derjenige bin, der in Not gerät? In Michelin-Männchen-haften Überlebensanzügen lernen Offshore-Aspiranten, wie sie in eiskaltem Wasser eine Rettungskette bilden und eine gekenterte Rettungsinsel wieder umdrehen.
Noch anstrengender ist eine Hubschrauberabsturz-Simulation. „Da wird man im Hubschraubermodell um 180 Grad auf den Kopf gedreht und unter Wasser getaucht. Und man darf auch erst unter Wasser anfangen sich zu befreien,“ erzählt Ehrlich. „Und das Ganze siebenmal nacheinander in kurzer Folge.“ Nur wer hier die Nerven behält, schafft es, seinen Vier-Punkt-Gurt zu lösen und mit dem Ellenbogen ein Fenster rauszudrücken, um zu entkommen.
Das fordert körperlich wie mental, und nicht wenige beenden an dieser Stelle ihre Teilnahme am Programm. Wer besteht, darf raus in den Windpark – zumindest für vier Jahre. Dann muss man das gesamte Programm wiederholen, um die Offshore-Qualifikation weiter zu erhalten.
Ein absoluter Traumjob
Aber auch ohne einen Zwischenfall sind Offshore-Einsätze anstrengend. Das vierköpfige telent-Team trifft sich morgens um sechs zur Arbeitsplanbesprechung, damit später jeder Handgriff sitzt. Offshore-Zeit ist kostbar. Kippt das Wetter, müssen die Techniker abbrechen. Nach dem „Go“ aus der Wetterabteilung des Auftraggebers geht es mit zwei Ansprechpartnern des Kunden los zum Hafen. Ohne sie können die Servicetechniker nicht auf der sonst unbemannten Plattform arbeiten.
Nach einer 1,5-stündigen Überfahrt folgt das Boat-Landing, der Übertritt vom Boot zur Plattform-Leiter. Das erfordert höchste Konzentration. Denn selbst bei gutem Wetter kann der Wellengang das Boot bis zu zwei Meter anheben. Ist der Schritt zur Plattformleiter geschafft, beginnt Ehrlich sofort zu klettern. Das Boot, das hinter ihm in die Tiefe rauscht, schnellt Sekunden später wieder hoch. Nur die Abstandshalter und seine eigene Schnelligkeit schützen ihn davor, erschlagen zu werden. 20 Meter weiter oben auf der Plattform angekommen, beginnen die Servicetechniker in Zweier-Teams mit der Arbeit. Als Arbeitsverantwortlicher übernimmt Ehrlich das Kommando und packt auch selbst mit an. Ein Team verlegt Kabel, das andere baut Geräte ein – genau wie an Land, nur nach Möglichkeit schneller.
Insgesamt brauchen die telent-Leute für die Fertigstellung einer Offshore-Plattform ein bis zwei Monate – mit Unterbrechung durch die Wochenenden. Sobald alles installiert ist, lässt sich der Offshore-Windpark von der Onshore-Zentrale aus überwachen und steuern. Meldet ein technisches Gerät an Bord eine Störung oder fällt ganz aus, sendet die Plattform ein Alarmsignal. Der Betreiber schaltet dann via Fernsteuerung auf eine alternative Anlage um. Für alle Geräte gibt es eine Zweitbesetzung, um die Stromversorgung jederzeit aufrecht zu erhalten und Folgeschäden eines Defekts abzuwenden.
Wenn Ehrlich abends wieder festen Boden unter den Füßen hat, kümmert er sich um Organisatorisches, meldet dem Projektmanagement den Stand der Arbeiten, erfasst Probleme und ordert Material nach. 14-Stunden-Tage sind für ihn keine Seltenheit. Wann und wo sein nächster Einsatz ist, weiß er oft erst zwei bis vier Wochen im Voraus. Planungssicherheit geht anders. „Es gibt keinen typischen Arbeitsalltag,“ schwärmt Ehrlich. „Jeder Tag ist anders, jeder Auftrag ist neu. Es ist ein absoluter Traumjob.“
Solange er kann, will er raus in die Windparks. Nächste Woche geht es für ihn aber zunächst nach Baden-Württemberg und auf einen 100-Meter hohen Richtfunkmasten. Warum? Weil er wieder einmal neugierig war und „einfach mal ausprobieren wollte, ob er das nicht auch kann“. Der ehemalige Zeitsoldat liebt die Abwechslung und testet beruflich gerne Grenzen, vor denen andere vielleicht zurückscheuen. Er ist eben ein professioneller Abenteurer.